Doch statt des Aprilkinds kam dann plötzlich der FRÜHling. Zehn Wochen zu früh. Zehn. Was ich in zehn Wochen alles schaffen wollte. Mein erstes Mastersemester abschließen und mit den dazugehörigen Prüfungen schonmal die Hälfte meiner Leistungspunkte abhaken. Damit es nachher mit Kind einfacher ist. Düdümm. Den Babykrams aufbauen, shoppen gehen, basteln, baden, dicker werden, Tritte spüren, genießen. Und dann den einen Moment abwarten und herbeisehnen, ungeduldig werden. Und ja, selbst Schmerz spüren war für mich kein abschreckendes Szenario. Ich war wirklich gespannt darauf, wie sich Wehen anfühlen, wie es ist, seinen Körper so an die Grenze zu bringen und im Teamwork mit der ungeborenen Tochter mit letzter Kraft in die Zielgerade zu sprinten bzw. zu pressen. Schmerz ist da ein notwendiger Bestandteil, Schmerz lässt uns spüren, macht einen essentiellen Moment umso intensiver. Ich war bereit das in Kauf zu nehmen, ich hab mich mit Leib und Seele darauf eingestellt, auf diesen einen Moment, mein eigenes Baby nach dieser Wahnsinnsarbeit zum ersten Mal zu sehen, zu berühren, hoch zu heben, auf die Brust zu legen. Und zwar zuhause, in meinem Wohnzimmer, in vertrauter und liebevoller Atmosphäre, da wo Babygirl aufwachsen sollte.
Ich habe inzwischen einige Frühcheneltern kennengelernt. Die wenigsten haben mit der Diagnose Frühgeburt gerechnet. Für die meisten kam das alles überraschend, so wie für uns. Vorallem wenn es das erste Kind ist, malt man sich die Welt rosarot aus, erwartet irgendwie, dass alles gut geht - wie eben bei den meisten Leuten. Keine von uns wollte das: sich so früh von seinem Babybauch verabschieden, seine Träume platzen sehen, sich fremden Menschen völlig ausliefern, sein Kind passiv holen lassen, es nur superkurz sehen und dann stundenlang gar nicht mehr, danach tagelang körperlich ausgeknockt sein, eifersüchtig auf den Partner sein (weil der ja fit ist und alles macht, was Mami machen sollte), mit Schuldgefühlen aller Art kämpfen.
Die ersten Tage sind schlimm. Für manche mehr, für andere... noch schlimmer. Ich hatte Glück: dass ich eine Plazentainsuffizienz habe und mein Babygirl unterversorgt ist, wurde frühzeitig erkannt. So hatte ich immerhin vier Nächte Zeit, mich mit der Situation abzufinden und auf die Sectio vorbereitet zu werden. Andere trifft es viel schlimmer. Die gehen morgens fröhlich zu ihrer Frauenärztin und wachen abends aus einem Notkaiserschnitt auf und haben von jetzt auf gleich kein Baby mehr. Ich hingegen hatte genug Zeit zu reflektieren, über das Verlorene zu trauern und mich auf das Abenteuerliche zu freuen. Und trotzdem hat mich all das erstmal total aus der Bahn geworfen - so wie eben jede Frühchenmama, oder wie ich es lieber nenne: Frühlingsmama. Denn nach dem ersten schockierenden kalten Winter kommt schließlich der Frühling. Zwischendurch schneit es immer wieder und dann bricht irgendwie doch alles über einen hinein. Aber es gibt Aussicht auf Sommer und Sonne. Irgendwann. Wenn wir Babygirl mit nach Hause nehmen.
Was mich als frische Frühlingsmama nervt, ist die Tatsache, dass man im Netz kaum Sinnvolles zum Thema Frühgeborene findet. Google ist da schonmal ein ganz schlechter Freund, denn der verrät einem nur, welch schlimme Fehlentwicklungen unsere zu früh geborenen Kinder alle mit größter Wahrscheinlichkeit durchleben werden. Zumindest ADHS haben sie dann am Ende alle.
Hebammenblogs, die ich vorher gern gelesen habe, nerven mich nun mit all ihren gutgemeinten Ratschlägen zur natürlichen Geburt und dem Wochenbett. Denn Wochenbett - was ist das - kann ich mir nicht leisten. Ich bin zwar offiziell gerade Wöchnerin, aber weder werd ich so behandelt noch fühle ich mich so. Dafür tingel ich dann doch zu viel zwischen Ärzten, Klinik, Supermarkt, Haushalt und ja, manchmal auch dem Bett herum. Aber nichtmal baden (danke liebe Hebammenblogs) darf ich wegen meiner Sektionaht. Kaiserschnittmamis haben es schon schwer. Kaiserschnitt-Frühchen-Mamis müsen sich ihre Welt erst recht erstmal zurück erobern und neu aufbauen. Klötzchen für Klötzchen. Dieser Blog hier ist für mich ein reflektierender Teil dieses neue, abenteuerliche Projekt zu bewältigen.
Plötzlich Frühlingsmama zu werden ist nicht einfach. Man muss viel mit sich selbst ausmachen, sich alles neu erarbeiten, auf vieles verzichten. Es ist in manchen Punkten aber auch vielleicht auch schöner und intensiver, als 'normale' Mama zu sein...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen